Erklärungen bietet er aber gleich selber. Einen wichtigen Grund sieht er in der Zusammensetzung des Teams. Insgesamt wirkten bis zu 84 Personen mit, alles Profis - und alle ohne Gage! "Es sind durchwegs Leute, die ähnlich ticken und die viel lieber ohne Geld etwas wirklich Reizvolles tun wollen, als sich für Geld zu langweilen." Odermatt wird konkreter: "Auf der einen Seite sind darunter viele junge Wilde, die dieses Projekt sozusagen als Empfehlung in ihre Vita eingliedern möchten. Anderseits sind da die alten Hunde, sehr erfahrene Berufsleute, die sich mit Haut und Haar dem Film verschrieben haben und über einen entsprechenden Erfahrungsschatz verfügen.» Odermatt sagt nicht nur einmal: "Es herrschte eine total gute Stimmung."


"Wir arbeiten beinahe ohne Geld." Wie ist das nur möglich? "Wir profitieren von vielen Sponsoren, die uns materielle Güter zur Verfügung stellen, Räumlichkeiten, Gerätschaften, Unterkünfte." Gerade mal 30 000 Franken stehen für laufende Ausgaben zur Verfügung. Und dies, nachdem Odermatt einen 5-Millionen-Film abgedreht hat! "Erstmals in meinem Leben mache ich einen Film, der ganz aus mir selbst heraus entsteht. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl: vollkommene Freiheit, absolute Selbstbestimmung. Ich muß auf niemanden Rücksicht nehmen, niemand redet mir rein. Noch nicht ein einziges Mal mußte ich mir wegen des Publikums oder wegen der Auftraggeber irgendwelche Sorgen machen - einfach herrlich!" Und er ergänzt: "Üblicherweise muß man sich dauernd mit irgendwelchen Geldgebern herumschlagen, die ihre eigenen Vorstellungen einbringen wollen. Der eine verlangt Blau, der andere Grün, es wird ein bißchen herumgestritten, und kaum hat man sich geeinigt, kommt ein Dritter, der Rot haben will. Das kann sehr nervenaufreibend sein." Hier war es ganz anders: "Ich mache diesen Film aus Lust, nicht aus Kalkül." Für den Fall, daß der Film in den Kinos Erfolg haben sollte, hat man sich abgesprochen, wie ein Gewinn aufzuteilen sei. Alles hypothetisch, versteht sich.


Die einzelnen Szenen sind jetzt abgedreht, der Ton ist angelegt. Nun kommt aus Deutschland für drei Monate eine Cutterin. Odermatt rechnet damit, daß der Film bis Ende März fertig geschnitten ist. Im Frühjahr müssen zwar noch einige Aufnahmen nachgedreht werden, aber schon im kommenden Dezember will Odermatt einzelne Sequenzen so weit bearbeitet haben, daß er sie in einem Vorlauf den Sponsoren zeigen kann.


"Ich wußte genau, worauf ich mich da einlasse." Und nochmals wiederholt Odermatt: "Wir waren eine verschworene Gemeinschaft. Die Arbeit war ungemein beglückend, sie hat enorme Kräfte freigelegt." Schwungvoll erhebt er sich von seinem Platz, geht die Treppe hinunter und wendet sich wieder seinen Leuten zu. Es geht weiter.

Peter Belart: Alte Hunde und junge Wilde, alles Profis, Aargauer Zeitung, Aarau, 8. November 2009

Aargauer Zeitung, Urs Odermatt

Hinter Urs Odermatt liegt eine außerordentlich arbeitsintensive Zeit. Aber er wirkt frisch, gut gelaunt, motiviert.


Der Raum ist fast vollständig kahl. Schmucklos. Ein Arbeitszimmer halt, das im Moment nicht gebraucht wird. Immerhin: ein Tisch und zwei Stühle. Urs Odermatt sitzt ganz entspannt da, den Stuhl hat er etwas seitwärts weggerückt. Er wirkt zufrieden, erfüllt.


Odermatt ist kein Mann der langen Vorreden. Das könnte er sich auch gar nicht leisten. "Hinter dem Filmteam liegt eine sehr strenge Zeit. Nach einer zwei- bis dreijährigen Vorbereitungszeit haben wir innert sieben Wochen ungefähr 38 Drehtage bewältigt." Das bedeutet 15-Stunden-Tage, dazu kommen für Odermatt selber noch die Vor- und die Nachbereitung der Filmtage. "Drei bis vier Stunden Schlaf mußten meistens genügen", sagt er. "Ich bin selber erstaunt, wie wir das alles scheinbar mühelos bewältigt haben."